Gendersternchen im Roman?

In der geschäftlichen Korrespondenz und in der Journalistik sind sie längst auf dem Vormarsch: die Gendersternchen und ihre Pendants. Und das, obwohl nach bisherigen Umfragen rund dreiviertel der Deutschen das sprachliche Gendern ablehnen. Die Belletristik blieb bislang als einer der wenigen Bereiche weitestgehend von diesem Trend verschont. Aus gutem Grund. Wer will schon Gendersternchen in einem Roman? Natürlich wird es Menschen geben, die sie auch hier gerne sehen bzw. lesen würden. Zugegeben, lange war dieses ganze Gegendere für mich ein unsägliches Reizthema. Inzwischen stehe ich der Materie etwas gelassener gegenüber. Der Grundgedanke dahinter ist ja an sich nichts Schlechtes. Demnach soll niemand ausgegrenzt oder in der Sprache unsichtbar gemacht werden. Nur an der Umsetzung hapert es bisweilen, denn diese wirft so einige Probleme auf. Das wird von den Befürwortern der gendergerechten Sprache gerne ausgeblendet oder klein geredet.

Selbstverlag

Hat vermutlich schon so manchen Texter zur Verzweiflung getrieben: das Gendern.

Jede Sprache entwickelt sich, das steht außer Frage. Über die Jahrhunderte hat sich das Deutsche so massiv gewandelt, dass es uns heute schwer fallen dürfte, einen Text zu lesen, der vor 500 Jahren geschrieben wurde. Immer wieder gab es in der Geschichte Wendepunkte, die es erforderlich machten, die Sprache zu verändern oder anzupassen. Wie beispielsweise nach Ende des Zweiten Weltkriegs, als man den nationalsozialistischen Sprachgebrauch sukzessive aus dem Deutschen entfernte. Das war gut und absolut notwendig. Doch nie zuvor wurde versucht, eine einschneidende Änderung der Sprache, gewünscht durch eine Minderheit, innerhalb weniger Jahre auf autoritativ anmutende Weise durchzusetzen. Über ideologische Gesichtspunkte will ich hier aber nicht diskutieren. Im dazu verlinkten Artikel ist alles gesagt. Ich werde mich an dieser Stelle mit den Problemen beschäftigen, die das Gendern im alltäglichen Sprachgebrauch aufwirft und wo ich seine Stellung in der Belletristik sehe.

Generisches Maskulinum vs Gendersternchen

Der Standard in der deutschen Sprache ist nach wie vor das generische Maskulinum. Das bedeutet, dass Personengruppen bis auf wenige Ausnahmen in der männlichen Form beschrieben werden, wie z.B. die Pfleger, die Ärzte oder die Professoren. Geht es nach den Fürsprechern des Genderns, so würden diese beispielsweise als Pfleger*innen, ÄrtzInnen oder Professor_innen beschrieben. Auch wenn es inzwischen Empfehlungen dazu gibt, existiert eine einheitlich festgelegte Schreibweise bislang nicht. Da fangen die Probleme schon an, denn besonders für Nicht-Muttersprachler kann das Ganze schnell unübersichtlich oder gar verwirrend und unverständlich werden. Also was denn nun? Binnen-I, Gender-Gap, Doppelpunkt, Schrägstrich oder Gendersternchen? Angenommen, man würde sich nun auf einen Standard einigen, wären damit bei Weitem noch nicht alle Bauchschmerzen ausgeräumt. Wenn überhaupt, dann macht das Gendern auf diese Weise nämlich nur im Plural Sinn.

Gendersternchen

Die Idee der gendergerechten Sprache stammt ursprünglich aus dem Feminismus.

Sobald man versucht, es im Singular anzuwenden, wird es nicht nur um ein Vielfaches umständlicher, sondern führt zu massiven Problemen bei der Deklination. Aus „der Mechaniker“ wird dann beispielsweise „der*die Mechaniker*in“. Das sieht nicht nur seltsam aus, sondern liest sich auch grauenvoll. Noch gröber wird es, wenn grammatikalische Fälle wie Dativ oder Genitiv dazu kommen. Des*der Mechanikers*in? Das geht so weit, dass selbst manche Gender-Experten inzwischen dazu raten, die Nutzung der Gendersternchen auf die Mehrzahl zu beschränken. Selbst hier soll man allerdings den „Dativ mit n“ möglichst vermeiden. Den Mechanikern*innen? Hier wird dann üblicherweise die Schreibweise Mechaniker*innen empfohlen. Grammatikalisch ist das leider falsch. Aus meiner Sicht auch einer der Hauptgründe, warum sich Genderstern und deutsche Grammatik beißen. Gegenderte Wörter sind in vielen Fällen zur Flexion schlicht ungeeignet.

Gendern auch ohne Sternchen möglich

Andere raten deshalb dazu, bestimmte Begriffe einfach durch geschlechtsneutrale Synonyme zu ersetzen. Diese Lösung des „geschickten Genderns“ halte ich gegenüber des Gendersternchens für die praktikablere. Dennoch läuft man hier auf die Gefahr einer möglichen Sinnentstellung auf. Das oft zitierte Beispiel der Studenten, aus denen kurzerhand „die Studierenden“ werden, kann hier bereits eine solche Irritation erzeugen. Denn ein Student kann auch jemand sein, der zwar an einer Universität eingeschrieben ist, aber aktuell überhaupt nicht studiert. Ist er dann trotzdem ein Studierender? Bei meinem Spaziergang durch den Park traf ich auf eine Gruppe Studierender. Nun, studieren sie tatsächlich gerade oder sind es einfach nur Studenten, die ihre Freizeit im Park verbringen? In anderen Situationen kann sich das Ganze natürlich auch weniger irritierend darstellen. Beschreibe ich eine Gruppe Menschen, die gerade mit dem Fahrrad unterwegs ist, spricht generell nichts dagegen, diese im richtigen Kontext als Radfahrende zu bezeichnen.

Gendersternchen

Sollen in der gendergerechten Sprache ebenfalls berücksichtigt werden: non-binäre Menschen. Also jene, die sich keinem der beiden biologischen Geschlechter zugehörig fühlen.

Wie bei fast allem gilt jedoch auch hier der Grundsatz, dass die Dosis das Gift macht. Verwende ich in einem Text nur noch geschlechtsneutrale Synonyme, kann dieser schnell gekünstelt, gezwungen oder sogar grammatikalisch gestümpert wirken. Als gangbarste Lösung sehe ich hier einen gendersensiblen Sprachgebrauch, bei dem hin und wieder eines der geschlechtsneutralen Wörter zum Einsatz kommen kann, aber nicht muss. In Kombination mit einer gelegentlichen Doppelnennung bestünde hier sogar die Möglichkeit, den sprachlichen Reichtum etwas aufzupeppen. So könnte man zum Beispiel von den Pflegern und Krankenschwestern sprechen. Das verbraucht zwar erstmal etwas mehr Text als Krankenpfleger*innen, liest sich dafür aber wesentlich besser. Wo sich wieder die Brücke zur Belletristik schließt, wo eine kurz gehaltene und prägnante Schreibweise nicht unbedingt gefordert wird. Auch gegen die fallweise Verwendung des generischen Femininums spricht absolut nichts.

In der Belletristik gilt die künstlerische Freiheit

Wenn eine Situation die explizite Hervorhebung des weiblichen Genus erforderlich macht, dann würde ich sowieso immer das Femininum verwenden, aber dafür braucht es auch keine Gendersprache. Bei Gendersternchen im Roman würde mir persönlich allerdings beim Lesen die Lust vergehen, da sie den Lesefluss hemmen und ich sie zudem einfach als unästhetisch empfinde. Nun kommen wieder die Befürworterinnen und Fürsprecher um die Ecke und sagen, dass man sich daran gewöhnen würde. Prinzipiell kann sich der Mensch an so ziemlich alles gewöhnen. Die Frage ist nur, ob man das will. Da halte ich es mittlerweile liberal. Wer gegendert schreiben will, der soll dies tun. Das regt mich nicht auf. Wer gegendert sprechen will, der soll dies ebenfalls tun. Nur muss er oder sie damit rechnen, in großen Teilen der Bevölkerung als lächerlich wahrgenommen zu werden.

Gendersternchen

Sprache entwickelt sich auch auf natürliche Weise weiter.

Ob es sinnhaft ist, ständige Sprechpausen zu praktizieren, nur um dann noch ein *innen anzuhängen, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich für meinen Teil lasse ich mir nicht vorschreiben, wie ich meine Texte zu gestalten habe. Zum Gendersternchen kann und wird mich natürlich auch niemand zwingen. Selbsterklärend laufe ich dadurch Gefahr, in bestimmten Kreisen als konservativ oder gar reaktionär abgestempelt zu werden. Das ist mir jedoch herzlich egal. Allen wird man es sowieso nie recht machen, so sehr man sich auch verbiegt. Und nein, ich will damit niemanden verletzen oder ausgrenzen.

Dennoch gilt besonders in der Belletristik die künstlerische Freiheit. Und natürlich gibt es dort inzwischen Werke, die in gendergerechter Sprache verfasst wurden, wie zum Beispiel der Science-Fiction-Roman Wasteland. Auch hier gilt selbstverständlich, dass in der Kunst und Literatur alles möglich ist. So ein, aus meiner Sicht gewagtes Experiment, wird sicherlich seine Fans und Abnehmerinnen finden. Kann man also, muss man aber nicht.