Seit Jahrhunderten ist der eindrucksvolle Gebirgsstock, der sich über das Berchtesgadener und das Salzburger Land erstreckt, Tribüne von Sagen und Legenden. Der mysteriöse Untersberg[1]. Aber was ist wirklich dran und was macht diesen Berg so geheimnisvoll? Wird er seinem Ruf gerecht? Immerhin von Zwergen, Feen und einer Anderwelt ist da die Rede. Auch Karl dem Großen, der inmitten des Berges schlafen soll und dort auf seine Auferstehung wartet, wird eine Rolle zuteil. Führt man sich die Ergebnisse dessen zu Gemüte, was wir heute als allgemein anerkannte Forschung verstehen, so dürften diese für Mystery-Fans allerdings eher ernüchternd ausfallen. Demnach gehen all die fantastischen Erzählungen, die sich um den Untersberg ranken, auf eine einzige Geschichte zurück. Es ist die von Lazarus Gitschner[2], einem Gehilfen des einstigen Reichenhaller Stadtschreibers. Dabei soll es sich wiederum um das Pseudonym eines Geistlichen gehandelt haben, der wohl lieber unerkannt bleiben wollte.
Im sechzehnten Jahrhundert war es aufgrund drohender kirchlicher Repressalien auch ratsam, seine wahre Identität sprichwörtlich hinter dem Berg zu halten. Das letzte Wort um das sagenreichste Massiv der Alpen dürfte damit allerdings noch lange nicht gesprochen sein. Die Faszination am Mysteriösen lässt sich nicht so einfach von historisch fundierten Argumenten wegwischen. Dazu dürften nicht zuletzt geologische Gegebenheiten beitragen, die längst wissenschaftlich belegt sind. Der Untersberg verfügt über ein eindrucksvolles System von rund 400 Höhlen, das bislang nur teilweise erforscht werden konnte. Die inzwischen berühmteste davon dürfte die Riesending-Schachthöhle[3] sein, die im Zuge der aufwändigen Bergung des verunglückten Höhlenforschers Johann Westhauser im Jahre 2014[4] weltweites Aufsehen erregte. Deren durch Menschen erfasster Teil wartet mit einer Länge von fast 20 Kilometern und einer Tiefe von knapp 1200 Metern auf. Das verdeutlicht bereits, mit welchen Dimensionen unerforschten Terrains wir es am Untersberg zu tun haben.
Der Untersberg als Inspirationsquelle
Nicht nur der Gedanke, über eine dieser Höhlen in die Anderwelt gelangen zu können, regt die Fantasie der Menschen an. Auch das Auftreten sogenannter Zeitphänomene spielt eine zentrale Rolle. So widmete der deutsch-österreichische Abenteurer und Autor Stan Wolf dem Thema sogar eine ganze Buchreihe unter dem Titel Steine der Macht*. Mit etwa einer Autostunde Entfernung liegt der Untersberg geografisch gesehen auch in meiner Nachbarschaft, weshalb ich diesen ebenfalls schon mehrfach bestiegen habe. Auch wenn ich dort selbst bisher keine Berührungen mit plötzlich auftretenden Nebelwänden, Sagengestalten und Zeitlöchern hatte, muss dies ja nichts heißen. Schön ist es dort allemal und die Atmosphäre, die stets vom Hauch des Geheimnisvollen getragen wird, inspirierte auch mich. Grund genug, diesen sagenumwobenen Schauplatz einmal selbst zum Mittelpunkt einer Geschichte zu machen. Somit wird einer meiner nächsten Romane, dessen Erscheinung für dieses Jahr geplant ist, dort handeln. *Affiliate Link
Der Berg ist nicht nur mysteriös, sondern auch energetisch
Der Übergang zwischen dem, was wissenschaftlich belegbar ist und dem, was man sich erzählt, scheint also weiterhin fließend zu bleiben. Angeblich soll sich sogar der Dalai Lama im Jahr 1992 zum Untersberg geäußert haben, in dem er diesen als „Herz-Chakra Europas“ bezeichnete. Dies gilt allerdings inzwischen als widerlegt[5]. Auch das ist ein Beispiel dafür, wie der Interpretationsspielraum von übersetzten Aussagen oft zugunsten des Mystischen ausgelegt wird. Von welcher Warte man es auch betrachtet, nüchterne Wissenschaft und Historik oder mythenbehaftete Sagenwelt; die Wahrheit wird vermutlich auch hier irgendwo dazwischen liegen. Dass der Untersberg nun kein energetisch geladener Kraftort sein soll, so wie es viele Esoteriker und Mystiker behaupten, das gilt es demnach erst einmal zu beweisen. Bis dahin dürfte die Begeisterung der Mystery-Gemeinde für das beeindruckende Bergmassiv mit seinen majestätischen Ausmaßen weiterhin ungebrochen sein.
Die im Beitrag verwendeten Bilder stammen von einer Wanderung des Autors im Mai 2016.