Hin und wieder beschäftigt man sich als Autor mit den Werken anderer Schaffender. Sei es zum Zwecke des Zeitvertreibs, der Unterhaltung, der Inspiration oder um sich selbst weiterzuentwickeln. Als ich mit der Recherche für eines meiner Buchprojekte beschäftigt war, stieß ich zufällig auf den Titel „Blutiger Winter“ des britischen Schriftstellers Tom Callaghan. Nachdem ich kurz die Beschreibung überflogen hatte, entschloss ich mich zum Kauf. Deshalb möchte ich mich anhand dieses Romans einmal an einer Buchkritik versuchen.
Blutiger Winter: Nichts für schwache Nerven
Bereits der Titel des im weit entfernten Kirgisistan handelnden Thrillers lässt Düsteres erahnen. Aus der Sicht des Protagonisten geschrieben, eines verwitweten Polizisten namens Akyl Borubaew, steigt der Leser direkt in das Geschehen am Tatort ein. Bereits hier trennt sich unter den Lesenden die Spreu vom Weizen, denn weiter folgen dürften nur Hartgesottene. Sehr plastisch wird die bestialisch zugerichtete Leiche einer jungen Frau beschrieben, die offenbar Opfer eines brutalen Verbrechens wurde. Dabei bleiben in puncto Perversion kaum Wünsche offen. Sogleich nimmt Inspektor Borubaew die Ermittlungen auf, die ihn zwischen Alkoholismus, Drogensucht, Prostitution und Korruption von einem menschlichen Abgrund zum nächsten führen. Dabei kämpft dieser nicht nur regelmäßig mit den Dämonen seiner Vergangenheit, sondern auch gegen die Anachronismen sowjetischer Technik.
Das komplette Gegenteil einer Frohnatur muss sich in einer perspektivlosen und verderbten Welt gegen unerbittliche Kälte und brutale Gestalten durchsetzen. Der Autor bedient in mitreißender Sprache dabei so ziemlich jedes Klischee, das man sich beim Gedanken an eine ehemalige Sowjetrepublik nur vorstellen kann. Die Figuren auf dem zentralasiatischen Schauplatz sind authentisch und stets schwingt eine Mischung aus Sarkasmus, Verbitterung und Verzweiflung mit, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht. Die Kapitel sind knackig gehalten, sodass man am Ende immer weiterlesen möchte. So hält die Story manch unvorhergesehene Wendung bereit. Der von seiner Trauer zerfressene Held scheint dabei die einzige Konstante in der Trostlosigkeit irgendwo zwischen den Betonburgen Bischkeks und der Einöde des usbekischen Grenzgebiets zu sein.
Neben dem Frust und der Unnachgiebigkeit des Ermittlers wird der Leser mit den bildhaft beschriebenen Auswirkungen des Konsums der Droge Krokodil bei der Stange gehalten. Die scheint in dieser schweren Monotonie der kirgisischen Armut eine zentrale Rolle zu spielen. In einem archaischen System, das von patriarchaler Macht dominiert ist, stapeln sich die Leichen in einer Umgebung, wie sie rauer kaum sein könnte.
Fazit
Das Buch ist gut recherchiert und die Übersetzung ins Deutsche qualitativ hochwertig, was sich in der flüssigen und wortgewaltigen Sprache widerspiegelt. Die gezeichnete Atmosphäre ist derart finster, dass sie zeitweise einfach nur erdrückend und deprimierend wirkt. Blutiger Winter – der Name ist sprichwörtlich Programm. Daraus macht der Autor keinen Hehl und verwandelt das verarmte Kirgisien kurzerhand in ein brutales Schlachtfeld, auf dem ein Menschenleben nichts zählt. Der Übergang zwischen Geheimdienst-Organisationen und mafiösen Strukturen ist dabei fließend und jeder scheint sich selbst der Nächste zu sein. Lediglich der Protagonist erweckt in dieser kargen Szenerie den Eindruck, noch so etwas wie moralische Werte zu besitzen. Je weiter die Ermittlungen voranschreiten, desto mehr läuft die Story Gefahr, in eine frostige Gewaltorgie zu kippen. Gewürzt wird das Ganze mit einer Litanei an Kraftausdrücken, die dem Leser in aller Regelmäßigkeit um die Ohren fliegen.
Alles in allem für meinen Geschmack etwas zu viel an Brutalität und Stereotypen. Dennoch spannend und lesenswert. Der Thriller ist ein Paradebeispiel dafür, dass weniger manchmal einfach mehr ist. Hier würde ich aufgrund der Recherchearbeit und des Spannungsbogens wohl vier von fünf möglichen Sternen geben.
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