Der sogenannte Selbstverlag, Eigenverlag oder auch das Self-Publishing, erfreut sich unter Autoren in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit. Als ich vor einigen Jahren mein erstes fertiges Manuskript in den virtuellen Händen hielt, musste ich mir die Frage stellen, was ich nun damit tun würde. Bis Dato hatte ich mir darüber wenig Gedanken gemacht. Die Aussicht, es an hunderte Verlage zu schicken, wo das Ergebnis meiner mühevollen Arbeit dann jeweils mit hunderten anderen Werken auf dem Schreibtisch-Stapel irgendeines Lektors landen und daraufhin direkt ungelesen in den Müll wandern würde, war ziemlich deprimierend. Verlage sind eben keine Wohltätigkeitsvereine und Talentförderer, sondern nichts anderes als knallhart kalkulierende Wirtschaftsunternehmen, die stets auf der Suche nach dem absolut Außergewöhnlichen sind. Dabei picken sie sich ausschließlich die Rosinen heraus. Natürlich sind sie in der Position dazu, weshalb ihnen die ersten drei Zeilen eines Manuskripts in der Regel reichen, um über Erfolg oder Tonne zu entscheiden.
Das klingt ziemlich arrogant und das ist es wahrscheinlich auch, aber so ist nun mal das Business. Darüber hinaus stellt sich dann noch die Frage, was mit dem Manuskript passieren sollte, wenn der unwahrscheinliche Fall einträte, dass es jemand für würdig befände. Dann wird unter Umständen ein Lektor oder ein ganzes Team an Literaten in meinem Text herumfuhrwerken und diesen nach seinem subjektiven Empfinden umformen; sprich möglichst vermarktbar machen. Am Ende ist im schlechtesten Falle nur noch die Idee als Grundgerüst vorhanden, um das herum eine Story und Figuren geschnipselt wurden, die gar nicht mehr meine sind. Andererseits bietet ein Verlag natürlich auch viele Vorteile für Autorinnen und Autoren. Diese können sich allein auf das Schreiben konzentrieren, denn um die erfolgreiche Vermarktung kümmern sich andere, die Profis darin sind.
Man muss jeden Handgriff selbst machen
Es gibt einen Buchvertrag und sofern es sich um ein seriöses Verlagshaus handelt, wird der eifrige Schreiberling ziemlich sicher direkt Geld verdienen und im besten Fall seinen Lebensunterhalt damit bestreiten. Aber was wurde nun aus meinem Manuskript? Ich hab es ehrlich gesagt an keinen einzigen Verlag geschickt und mich relativ schnell für den harten Weg entschieden: den Selbstverlag. Hart deshalb, weil man wirklich jeden Handgriff selbst machen muss. Dazu gehört ein Lektorat oder zumindest ein Korrektorat in Auftrag zu geben, das man selbst vorfinanzieren muss, noch bevor man einen Cent mit dem Buch verdient hat. Dabei muss man erst einmal jemanden finden, dem man dahingehend vertrauen kann, dass er sein Handwerk beherrscht. Denn was sich gerade im Netz so alles an vermeintlichen Lektoren tummelt, ist oft weit davon entfernt, seriös zu sein.
Da dient das abgebrochene Deutschstudium oder das Praktikum als Volontär bei der Lokalzeitung gerne mal als Referenz, wenn überhaupt. Ich lasse bei meinen Büchern grundsätzlich nur Korrektorate und Lesekritiken von ausgewählten Personen durchführen, die ich persönlich kenne. Das ist dann auch schon das Einzige, was ich nicht selbst mache. Während das Buch also beim Korrekturlesen ist, muss man sich mit dem Coverdesign beschäftigen. Das sollte einigermaßen gut sein, denn es ist ja schließlich das Aushängeschild, das den potenziellen Leser oder die zukünftige Leserin ansprechen muss. Dazu noch ein möglichst prägnanter Klappentext, sowie ein guter Aufhänger und schon kanns losgehen.
Selbstverlag: Viel Arbeit, wenig Brot.
Wer es bis hier hin geschafft hat, sieht sich im Selbstverlag nun mit der schwersten Aufgabe konfrontiert: das Werk an den Mann bzw. an die Frau zu bringen. Gut, dass es neben dem Freundes- und Bekanntenkreis noch Plattformen wie Amazon gibt. Da sind wir nun wieder bei den knallhart kalkulierenden Wirtschaftsunternehmen. Die Schwelle, bei solch einem Anbieter ein Buch veröffentlichen zu können ist sehr gering, sofern man die formalen Anforderungen an Text und Cover erfüllt. Das bietet selbst dem unbekannten Autoren-Neuling einen flachen Einstieg in einen unvorstellbar großen Absatzmarkt. Dank der steigenden Beliebtheit von eBooks, sowie Print-on-Demand muss man hier kaum Kosten vorstrecken, entsprechend gering ist die Hürde.
Da das Ganze zudem relativ einfach und benutzerfreundlich ist, wären wir auch schon beim Nachteil: das System wird von verdammt vielen Autoren und inzwischen auch Verlagen genutzt. Das Erste was eintritt, nachdem das stolze Werk online gegangen ist, ist das Verschwinden in der Masse. Wir reden hier nicht von ein paar tausend Büchern, sondern von etlichen Millionen. Amazon benutzt beispielsweise ein Ranking, dessen Prinzip so einfach wie gnadenlos ist. Verkaufst du viel, schwimmt dein Buch oben auf der Halde, verkaufst du auch nur einen Tag etwas weniger, taucht es schneller im Strudel der Unbedeutsamkeit unter, wie sein fassungsloser Schöpfer einen Atemzug nehmen kann. Um nicht zu ertrinken gibt es nur drei Möglichkeiten: verkaufen, verkaufen und verkaufen. US-amerikanischer Turbokapitalismus at its finest eben.
Ein steiniger Weg bietet auch viel Freiheit
Ja, das ist hart und deshalb kann der Selbstverlag echt frustrierend sein. Dennoch möchte ich keinesfalls darauf verzichten. Was uns nicht umbringt, das macht uns bekanntlich härter. Der Selbstverlag bietet mir absolute Freiheit und Unabhängigkeit. Ich kann verkaufen wo ich will, wann ich will und an wen ich will. Ob nun Amazon, Tolino, der eigene Webshop oder auf Kommission im Buchladen um die Ecke, spielt keine Rolle. Meine Zielgruppe suche ich mir selbst aus und kann dieser meine Bücher so unverfälscht und authentisch anbieten, wie sie aus meiner Feder entsprungen sind. Seine Fangemeinde muss man sich natürlich erst aufbauen und das ist mitunter mühselig. Es braucht nicht nur Zeit, sondern man sollte auch auf allen erdenklichen Kanälen stetig daran arbeiten. Dafür ist es nachhaltig, denn es sind am Ende deine Fans und nicht die Fans deines Verlages.
Natürlich nehmen auch Amazon & Co. ihre Margen und damit habe ich kein Problem. Das tut ein Verlag ebenfalls. Auch wenn ich Jeff Bezos nicht unbedingt sympathisch finde und der mächtige Konzern durchaus Schattenseiten hinter den Kulissen zeigt, sei es durch Steuervermeidung oder Ausbeutung, so überwiegt für mich der Nutzen. Alles andere ist Aufgabe der Politik und die versagt hier nur zu gerne. Die Selfpublishing-Anbieter stellen dem Independent-Autoren mittlerweile eine umfangreiche Infrastruktur und ein ganzes Arsenal an Werkzeugen zur Verfügung, die wirklich gut funktionieren. Die Behauptung, Amazon würde den lokalen Buch- oder Einzelhandel zerstören, halte ich für unfundierten Blödsinn.
Der beste Weg ist noch immer der eigene
Gerade in Deutschland gibt es eine Buchpreisbindung, die auch für Amazon und Konsorten gilt. Die Läden zerstören sich selbst, weil sie nicht mit der Zeit gehen. Weil sie die Nase rümpfen, sobald sie das Wort Amazon nur hören. Weil ihnen meine Geschichten nicht alternativ oder heile Welt genug sind. Oder weil ihnen mein Geschreibsel nicht genderkonform, nicht links genug oder zu wenig inklusiv ist. Dafür stehen dann die Wälzer irgendwelcher drittklassiger Politikdarstellerinnen im Regal, die diese zwar nicht einmal selbst geschrieben haben, stattdessen aber umso dämlicher aus dem Cover grinsen. Vom Autoren erwartet man selbstredend die bedingungslose Orientierung am Zeitgeist, selbst aber führt man seinen Laden wie in den 1970ern und wundert sich dann, wenn man 2022 pleite geht.
Da lobe ich mir doch den Selbstverlag. Denn da kann ich mir schlicht die Überheblichkeit rausnehmen, meinen Namen neben dem gehaltlosen Schund irgendwelcher Selbstdarsteller mit gekauftem Abschluss nicht stehen sehen zu wollen. Dabei schere ich mich in meinen Storys und auch sonst mal grundsätzlich nicht um Politik. Dafür kann ich so unbequem und polemisch sein, wie es mir gerade in den Kram passt. Am Ende liegt eben alles einmal mehr im Auge des Betrachters. Und wenn ich in einem meiner Romane eine brutale deutschrussische Transe erschaffen will, die Menschen nicht nur verprügelt, sondern auch erschießt, dann tu ich das einfach, ohne jemanden um Erlaubnis fragen zu müssen.
Den Lesern, Leserinnen und Fans muss es gefallen, nicht dem Verlag oder dem Inhaber des Buchladens. Und Amazon ist es egal. Ein Hoch auf die amerikanische Freiheit.