Gesinnung ist kein Genre

Ein Kommentar: Warum Literatur keine Parteiarbeit ist

Manchmal hat man das Gefühl, im Literaturbetrieb ginge es längst nicht mehr um Geschichten, sondern viel mehr um Gesinnung. Kaum ein Festival, kaum ein Feuilleton, kaum eine Preisjury, die nicht von „Haltung“ spricht – und damit selten etwas anderes meint als ein klar linkspolitisches Weltbild. Wer da nicht mitmarschiert, steht schnell am Rand, als Fremdkörper in einer Branche, die Vielfalt predigt, aber Einheitsdenken praktiziert.

Dabei war Schreiben nie eine Parteidisziplin. Ein Schriftsteller ist kein Funktionär. Er erzählt, beobachtet, spürt nach. Er hält seine Figuren ins Licht – und manchmal ins Dunkel. Gute Literatur fragt, statt zu antworten. Sie darf unbequem sein, widersprüchlich, verwirrend. Nur eines sollte sie nicht: sich gemein machen mit einer Ideologie, egal welcher.

Gesinnung

Vielfalt gegen Einfalt.

Natürlich kann Literatur politisch sein. Sie darf sich einmischen, aufrütteln, provozieren. Aber sie muss es nicht. Wer behauptet, Kunst müsse immer eine Botschaft haben, verwechselt Kunst mit Kampagne. Ein Roman ist kein Wahlplakat, und der Autor kein moralischer Influencer – und erst recht kein Parteisoldat. Gerade in Zeiten, in denen Meinung und Haltung verwechselt werden, braucht es wieder Geschichten, die nicht erziehen wollen, sondern berühren.

Dass viele in der Branche das anders sehen, hat auch mit dem Milieu zu tun. Die meisten Verlage, Kulturredaktionen und Literaturhäuser sitzen in urbanen Zentren, umgeben von Menschen, die politisch ähnlich ticken. Man kennt sich, man bestätigt sich, man klatscht sich gegenseitig auf die Schulter. Wer da mit einem unpassenden Thema oder einer unbequemen Sichtweise auftaucht, gilt schnell als schwierig – oder schlimmer: als verdächtig. Manche nennen das „Sensibilität“. Andere würden sagen: Gesinnung wird zur Pflicht.

Schreiben aber ist Freiheit. Die Freiheit, sich keiner Richtung zuordnen zu lassen. Die Freiheit, Figuren zu erfinden, die man nicht mag. Die Freiheit, Fragen zu stellen, auf die es keine richtigen Antworten gibt. Die Freiheit, auf Gendersternchen zu verzichten. Und wer wirklich Vielfalt will, sollte sie auch in den Köpfen zulassen – nicht nur in den Hashtags.

Vielleicht ist das die ehrlichste Haltung, die ein Autor heute haben kann: unabhängig bleiben. Nicht rechts, nicht links, nicht angepasst. Einfach schreiben.

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