Der Mann im Wald – Buchkritik

Mehr oder weniger zufällig fiel mir auch dieser Titel in die Hände: Der Mann im Wald – Wie ich mein Leben hinter mir ließ. Im Unterschied zu den Romanen, die ich sonst üblicherweise so lese, beruht dieser auf einer wahren Begebenheit. Passiert ist die Geschichte sogar unweit meiner Heimat; in der bayerischen Landeshauptstadt München. Sie erzählt vom Schicksal eines Mannes, der vom aufstrebenden Unternehmer zum absoluten Aussteiger wurde. Was die in der Ich-Perspektive gehaltene Erzählung so fesselnd und zugleich nahbar macht, ist die erschütternde Tatsache, dass der Mann im Wald jeder von uns sein könnte. Federführend bei diesem Projekt war die deutsche Autorin Sabine Eichhorst, zusammen mit dem Erzähler selbst.

Der Mann im Wald: ein Roman für (fast) jeden Geschmack

Der technikaffine Wolfgang Ködel macht sich nach einem abgebrochenen Maschinenbaustudium mit zwei Partnern selbständig. Mit jeder Menge Enthusiasmus, Know-how und Findigkeit gerüstet, lässt der Erfolg der jungen Unternehmer nicht lange auf sich warten. Da sie eine gefragte Nische bedienen, explodieren die Aufträge innerhalb von kurzer Zeit. Bald arbeitet Wolfgang rund um die Uhr und bemerkt anfänglich überhaupt nicht, wie ihm das soziale Leben langsam entgleitet. Über die Jahre kommt, was kommen muss: der unausweichliche Burn-Out. Ohne sich Hilfe zu suchen, verharrt der einsam lebende Protagonist in seinem depressiven Zustand, bis hin zur völligen Isolation. Ins Haus flatternde Mahnungen werden ebenso ignoriert, wie letzte verzweifelte Versuche der Kontaktaufnahme durch Verwandte oder seine Geschäftspartner; bis eines Tages der neue Hausbesitzer an die Tür hämmert.

Was folgt, ist die Flucht vor der Realität in den nahegelegenen Stadtwald, mit einer Hand voll Utensilien und idyllischer Lage an der Isar. Dort versteckt sich Wolfgang schließlich für mehrere Jahre, Sommer wie Winter, ohne Strom, Heizung und Wetterschutz. Selbst auf ein wärmendes Lagerfeuer verzichtet er, aus Angst entdeckt zu werden. Das, was andere wegwerfen und der Container eines nahegelegenen Supermarkts helfen ihm über die Zeit, seinen Hunger zu stillen. Neben der berührenden Freundschaft mit den Tieren des Waldes, führt dieser Lebensstil letztendlich auch zu Problemen mit dem Gesetz. Die elegant verpackte Kritik an den Schwächen eines kapitalistisch geprägten Wertesystems schwingt bei all dem stets im Hintergrund mit. Verdeutlicht wird das mit den Extremen, innerhalb derer sich die Figur bewegt.

Von der Last des Habens zum Glück des Seins; selbst wenn dieses von unglaublichen Entbehrungen begleitet ist. Losgelöst von Termindruck, materiellen Zwängen und jeglicher Art der Verpflichtung, scheint Wolfgang in der Natur sein Seelenheil gefunden zu haben. Zeit scheint in dieser von Trugbildern des Lebens entzerrten Parallelwelt überhaupt keine Rolle mehr zu spielen; bis er schließlich gefunden wird.

Fazit

In einfacher Sprache erzählt „Der Mann im Wald“, wie erbarmungslos das Leben mit einem Menschen ins Gericht geht, der aufgrund von Krankheit durch die Raster unserer Leistungsgesellschaft fällt. Der Roman gewährt einen tiefen Einblick in die Seele eines Mannes, der Opfer seines eigenen Fleißes und seiner Naivität geworden ist. Die Handlung treibt voran, wie psychische Probleme und Scheitern aus den wertidealistischen Vorstellungen einer Elterngeneration entwachsen, denen viele von uns niemals gerecht werden können. Auch die in Teilen rückständige deutsche Gesetzgebung, die beispielsweise das sogenannte „Containern“ unter Strafe stellt, gerät in den Fokus. Die bewegende Geschichte ist meisterhaft wie emotional erzählt und man bekommt schnell das Bedürfnis, das Buch in einem Rutsch durchzulesen. Das liegt aus meiner Sicht nicht zuletzt daran, dass es mir ungemein leicht gemacht wurde, mich mit dem Erzähler zu identifizieren. Auch wenn der Verlauf der Story irgendwie vorhersehbar ist, tut das dem hohen Unterhaltungswert keinen Abbruch.

Meinerseits eine klare Kaufempfehlung. Hier würde ich wohl fünf von fünf möglichen Sternen geben.

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